EINZELAUSGABE
Vol. 22 (2015)
No. 4 [N.F. 88]
Inland € 29,75
Ausland € 31,75
BLICKFANG FÜR PRODUKTE
Ist eine Werbeanzeige „ein Bild“ im Sinne dieser Rubrik? Man kann dies so sehen. Zumindest handelt es sich hier um eine Anwendungsform der gedruckten Fotografie, die in einem gestalterisch überformten komplexen Bild-Text-Konglomerat aufgeht.
EIN UNERWÜNSCHTES BILD?
Die nach heutiger Kenntnis erste Porträtfotografie, die in Skandinavien entstanden ist, stammt von dem französischen Unternehmer Aymard-Charles-Théodore Neubourg (1795–1865/1866).
unterscheiden lassen.
WEITER LESEN
EDITORIALHubert Locher, Christian Bracht,
Sonja Feßel und Wolfgang Seidel
Randbereiche und blinde Flecken
(S. 1/2)
PERSONALIA
Rolf Sachsse
Der leise Macher: Ein paar Blumen
für Wolfgang Hesse (S. 3/4)
INHALT
EIN BILdRoland Jaeger
Blickfang für Produkte: Werbefoto-grafie in der illustrierten Presse
(S. 7–9)
MEDIENGESCHICHTE
Tabea Schindler
Ein unerwünschtes Bild? Zur ältesten Porträtfotografie aus Skandinavien (1840) (S. 10–19)
MATERIALITÄT
Erwin Zbinden
Randmarkierungen: Neue Möglich-keiten der Datierung von Kleinbild-filmen (S. 20–30)
BESTÄNDEAnne-Céline Callens
Ästhetik der Industrie: Die Fotografien der Éditions Paul-Martial (S. 31–40)
Stephan Sagurna
Die Kombinatorische Fotografie des
Alfons Eggert: Ein Werkkomplex
der Generativen Fotografie der 1970er Jahre (S. 41–47)
Brigitte Huber
Geschichte und Denkmalpflege:
Fotografika in der „Bildersammlung“ des Historischen Vereins von Oberbayern (S. 48–57)
AUSSTELLUNGEN
Philipp Freytag
Geschichtsbilder – Bildergeschichte: „Das Auge des Arbeiters“, Zwickau, Köln, Dresden, 2014–2015 (S. 58–65)
BERICHTE
Françoise Poos
Print Matters: Review of “Photography in Print” — PHRC Annual Conference, De Montfort University, Leicester, 22-23 June 2015 (S. 66–70)
Laura Breede
Zeigen oder NichtZeigen? Zur Tagung „Valenzen fotografischen Zeigens“ des DFG-Graduiertenkollegs „Das fotografische Dispositiv“, HBK-Braunschweig, 2./3. Juli 2015 (S. 71–76)
Thomas Lienkamp, Armin Kille
und Tristan Schäfer
Von fotografierenden Soldaten und
soldatischen Fotografen: Zum Workshop „Deutsche Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg – Zwischen privater und professioneller Praxis“, Universität zu Köln, 13./14. März 2015
(S. 77–82)
LITERATURRezensionen
Steffen Siegel
Was sieht das Auge des Arbeiters? Ein Standardwerk zur Arbeiterfotografie
(S. 83/84)
Catharina Graf
Von der Redaktion ins Archiv: Das neue Leben analoger Pressefotografien (S. 85–87)
Kurt Deggeller
Von Städten und Menschen:
Kunsthistorische und kulturwissenschaftliche Perspektiven (S. 88–90)
Barbara Potthast
Mit der Kamera in Lateinamerika:
Fotografie zwischen Erinnerungsbild und Forschungsinstrument
(S. 91–93)
Neu eingegangen
Zeitschriftenauswertung
PERSONALIA
Petra Bewer
Buchkultur e.V.: Antiquaria-Preis 2016 an Manfred Heiting und Roland Jaeger (S. 96)
Anton Holzer
Dieter Mayer-Gürr: Ein verdienter
Verleger mit einem Faible für die
Fotografie (S. 96)
FORTBILDUNGCall for Papers
Termine
EINGESANDTE MANUSKRIPTE
IMPRESSUM
ANZEIGEN
Die nach heutiger Kenntnis erste Porträtfotografie, die in Skandinavien entstanden ist, stammt von dem französischen Unternehmer Aymard-Charles-Théodore Neubourg (1795–um 1865/1866) und zeigt den dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1770–1844). Trotz der damals neuen Technik der Daguerreotypie und des prominenten Modells sollte es über ein halbes Jahrhundert dauern, bis die kleine Silberplatte von dem 1848 eröffneten Thorvaldsen Museum in Kopenhagen erworben wurde. Der vorliegende Beitrag fragt nach den Gründen für die bescheidene Rezeption dieses Bildes, das einen unbestreitbar wichtigen Stellenwert in der Geschichte des neuen Mediums einnimmt. Für die Thorvaldsen-Forschung ist diese Daguerreotypie besonders interessant, da sie als fotografisches Bild – im Gegensatz zu den auf Statusrepräsentation bedachten Darstellungen in Gemälden und Plastiken – einen anderen Entwurf vom Aussehen des Künstlers überliefert.
Handelsübliche Kleinbildfilme verfügen über Randmarkierungen, die von Film zu Film variieren. Eine erste Auswertung eines ausgewählten Bestands ergab, dass sich bereits in diesem mehr als 20 verschiedene Merkmale unterscheiden lassen. Diese Feststellung wurde zum Ausgangspunkt für das Dissertationsprojekt des Autors, das unter der Betreuung von Walter Leimgruber und Rudolf Gschwind an der Universität Basel realisiert wurde. Die Dissertation fragt nach den Möglichkeiten der Datierung von Kleinbildfilmen durch hersteller- und filmspezifische Randmarkierungen. Dies konnte in Bezug auf Farbnegativfilme bejaht werden. Auch für Farbdiapositivfilme ergab sich ein positives Ergebnis, wenn auch mit Vorbehalten. Schwarz-Weiß-Filme wurden aufgrund fehlender Informationen nicht untersucht. Der nachfolgende Text gibt erstmals einen Überblick über häufige und wichtige Randmarkierungen und stellt die Quellenbasis der Untersuchung vor.
Die tiefgreifenden Veränderungen in Handel und Industrie zu Beginn der 1920er-Jahre führten in Frankreich zu einer Phase des Wohlstands und einem neuen Massenkonsum. Der gesellschaftliche Aufschwung manifestierte sich in der Produktion neuartiger Geräte und Gebrauchsgegenstände, und die großen Wirtschaftsunternehmen setzten zunehmend auf eine mediale Anpreisung ihrer Produkte. Zahlreich entstehende Werbeagenturen und Verlage übernahmen die Aufgabe, der neuen Industrie die notwendige Sichtbarkeit zu verleihen. In diese Zeit der Entwicklung von Werbung und Reklame fiel die Gründung des Verlagshauses Éditions Paul-Martial in Paris. Dieses arbeitete mit einer Reihe großer staatlicher und privater Unternehmen zusammen, für die es in ganz Frankreich bis 1960 Werbeaufnahmen und Fotoreportagen realisierte. Das Fotoarchiv des Unternehmens ist heute in vier Teilbestände aufgeteilt, die in unterschiedlichen Sammlungen verwahrt werden: im Musée d’Art Moderne et Contemporain de Saint-Étienne Métropole (MAMC), im Kunstmuseum Basel, in der Sammlung des Kunsthändlers Marc Pagneux sowie in der Abteilung für Grafik und Fotografie der Bibliothèque Nationale in Paris. Der folgende Beitrag befasst sich mit dem Gesamtbestand der Éditions Paul-Martial.
Gut vierzig Jahre nach ihrer Erfindung und Patentanmeldung im Jahr 1972 ist die Kombinatorische Fotografie des Alfons Eggert (*1928 in Münster) in der öffentlichen Wahrnehmung kaum präsent und wird entsprechend auch in der wissenschaftlichen Literatur nahezu nicht beachtet. Als eigenständige Position innerhalb der Generativen Fotografie der 1970er Jahre bildet diese auf Grundlage von mathematischen Rechenmustern in Verbindung mit Farbfiltern basierende Fotografie einen „Teil des blinden Flecks der Fotogeschichte“. Damit teilt die Kombinatorische Fotografie des Alfons Eggert das Los etlicher Pionierarbeiten der apparativ generierten und gegenstandslosen Fotografie – trotz ihrer bedeutenden theoretischen und künstlerischen Ansätze.
Die ab 1839 angelegte „Bildersammlung“ des Historischen Vereins von Oberbayern enthält neben rund 6 200 Handzeichnungen und Druckgrafiken auch etwa 700 Fotografien aus den Jahren 1857 bis ca. 1900. Hatte man 1863 zunächst nur Porträtfotos gesammelt, so erkannte man bald, dass die Fotografie gerade für dokumentarische Zwecke von hohem Wert war und daher dem Verein bei seinem Engagement für Denkmalpflege und Archäologie dienlich sein konnte. Neben Ereignisfotos (überwiegend zu München) wurden daher vor allem Aufnahmen kunsthistorisch beziehungsweise historisch interessanter Örtlichkeiten, Bauwerke, Monumente und Objekte in München sowie im Vereinsgebiet Oberbayern zusammengetragen. Der Bestand wird heute als Depositum im Stadtarchiv München aufbewahrt und soll im Laufe der nächsten Jahre in der Online-Datenbank „bavarikon“ publiziert werden.
Die Aufnahmen der Arbeiter, Handwerker und Kleinbauern, die sich zwischen 1927 und 1933 in der Vereinigung der Arbeiter-Fotografen Deutschlands organisierten, entstanden im weiten Feld zwischen privatem Erinnern und öffentlicher Agitation. Entsprechend breit ist die Überlieferung fotografischer Bildformen, darunter Einzelabzüge, Privatalben oder massenhaft verbreitete Reproduktionen in Illustrierten wie „Der Arbeiter-Fotograf“ und der „Arbeiter Illustrierten Zeitung“ (AIZ). Je nach fachlicher Perspektive werden diese Bilder heute ganz unterschiedlich gelesen: als historische Dokumente, als Ausdrucksmittel politischen Wirkens oder auch als Werke der künstlerischen Fotografie. Wolfgang Hesse, Kurator der Ausstellung „Das Auge des Arbeiters“, machte sich diese Vieldeutigkeit zu eigen, indem er die Arbeiterfotografien in drei Museen unterschiedlichen Zuschnitts präsentierte und sie damit ganz bewusst im Grenzbereich zwischen den geläufigen Zuschreibungen seitens der Kunst- und (Kultur-)Geschichtsmuseen verortete.
Our current state of knowledge indicates that the French entrepreneur Aymard-Charles-Théodore Neubourg (1795-1865/1866) took the first photographic portrait in Scandinavia, and that it depicts the Danish sculptor Bertel Thorvaldsen (1770-1844). Despite the fact that the daguerreotype was a new technique at the time and that the portrait sitter was well known, it would take over half a century until the Thorvaldsen Museum in Copenhagen, which opened in 1848, acquired this little silver plate. This article explores the reasons for the modest reception of the image, which plays an undeniably important role in the history of the new medium. This daguerreotype is particularly interesting for the research on Thorvaldsen, since – as a photograph – it gives us quite a different picture of the artist than his portrayals in painting and sculpture, which were made more to represent status.
Commercial 35 mm films have edge markings that vary from film to film. A first analysis of a selected group of films showed that more than 20 different features can be distinguished. This finding was the starting point for the author’s dissertation project, which was carried out under the supervision of Walter Leimgruber and Rudolf Gschwind at the University of Basel. The dissertation examines the possibilities of dating 35 mm films by edge markings that are specific to manufacturer and film type. The results show that this dating method does work for colour negative films; this is also the case for colour slide films, albeit with reservations. Black-and-white films were not investigated due to lack of sufficient information. This article is the first to give an overview of common and important edge markings and presents the sources used in the study.
Profound changes in trade and industry at the beginning of the 1920s gave rise to a period of prosperity and new mass consumption in France. The social boom manifested itself in the production of novel appliances and commodities, and large business enterprises increasingly counted on the proliferation of their products via the media in order to promote sales. Numerous emerging advertising agencies and publishers took over the task of providing the necessary visibility for the new industry. The publishing house Éditions Paul-Martial in Paris was founded during this period and it collaborated with a number of large public and private companies, for which it produced photographic advertising and documentary projects throughout France until 1960. The photo archive of the publishing house is now divided into four sub-holdings, which are held in different collections: the Musée d’Art Moderne et Contemporain de Saint-Étienne Métropole (MAMC), the Kunstmuseum Basel, the collection of the art dealer Marc Pagneux, and the department of graphic art and photography of the Bibliothèque Nationale in Paris. This article describes the entire holdings of Éditions Paul-Martial.
A good forty years after its invention and patent application in 1972, Alfons Eggert’s (*1928 in Münster) Combinative Photography is hardly present in the public eye, and correspondingly little attention has been given to it in the scientific literature. Based on mathematical computing patterns in conjunction with colour filters, it holds an independent position within the Generative Photography movement of the 1970s. However, it can still be regarded as ‘part of the blind spot of the history of photography’. As such, Alfons Eggert’s Combinative Photography shares the fate of several of the pioneering works of apparatus-generated, non-representational photography – and this despite their significant theoretical and artistic approaches.
The ‘Picture Collection’ of the Historical Society of Upper Bavaria, founded in 1839, contains approximately 6,200 drawings and prints as well as 700 photographs from 1857 to around 1900. Initially, in 1863, only portrait photographs were collected, but it was quickly realized that photography would be especially useful for documentary purposes and would therefore serve the Society well in its commitment to built heritage preservation and archeology. Next to photographs of events (mostly in Munich), images of historically and art historically interesting locations, buildings, monuments and objects in Munich as well as Upper Bavaria were collected. Today, the holdings are kept in the Munich City Archives and will be published in the online database ‘bavarikon’ during the next years.
The photographs taken by the workers, craftsmen and peasants, who organized themselves in the Vereinigung der Arbeiter-Fotografen Deutschlands between 1927 and 1933, range widely from private recollection to public agitation. They are manifest in many different forms, including individual prints, private albums, and copiously distributed reproductions in magazines such as ‘Der Arbeiter-Fotograf’ and the ‘Arbeiter Illustrierte Zeitung’ (AIZ). Depending on the respective specialist’s perspective, these images can be interpreted in many different ways today: as historical documents, as a means of expression of political activity, or as works of artistic photography. Curator Wolfgang Hesse embraced this ambiguity by showing the exhibition ‘The Worker’s Eye’ in three museums with very different focuses. By doing so, he deliberately positioned the worker’s photography within a border zone between the usual attributions by museums of art and (cultural) history.